„Sozialrendite“ – das „Social“ in ESG?

Worauf sich die Branche nun einstellt

Die ESG-Kriterien bestimmen die Weltwirtschaft immer stärker, seit der Klimaschutz an Bedeutung gewonnen hat. Der wichtigste Aspekt ist dabei zweifellos ein umweltfreundlicher Geschäftsbetrieb, aber auch die soziale Dimension der ESG-Kriterien gewinnt zunehmend an Bedeutung. Obwohl das Konzept des „Social Return on Investment“ (SROI) bereits seit über zwanzig Jahren existiert, könnte es erst jetzt zu einer breiten Anwendung kommen. Mithilfe der sozialen Rendite wird versucht, die sozialen Auswirkungen einer Investition in Geldeinheiten umzurechnen und festzustellen, ob die sozialen Auswirkungen insgesamt positiv sind.

Der Einfluss einer Immobilie auf ihr soziales Umfeld umfasst alle Phasen ihres Lebenszyklus: Bereits die Standortwahl kann beispielsweise die Lärmentwicklung um und im Gebäude beeinflussen, der Arbeitsschutz muss sowohl beim Bau als auch beim Betrieb berücksichtigt werden und die Biodiversität am Standort darf durch das Gebäude nicht gefährdet werden. Eine nach sozialen Kriterien entwickelte Immobilie berücksichtigt auch Diversität, Gleichheit und Inklusion und bietet somit allen Menschen unabhängig von Alter, körperlicher oder geistiger Beeinträchtigung Zugang. Um die sozialen Auswirkungen eines Gebäudes auf sein Umfeld positiv zu beeinflussen wäre es beispielsweise denkbar, im Erdgeschoss eines Bürogebäudes eine soziale Einrichtung oder einen Kindergarten unterzubringen und die Immobilie barrierefrei zu gestalten.

Sozial nachhaltige Immobilienwirtschaft

Insbesondere Projektentwicklern kommt im Rahmen der Realisierung von Bauprojekten eine besondere Rolle bei der Umsetzung sozialer Nachhaltigkeit zu. So können bereits bei der Planung einer Büro- oder Betreiberimmobilie die Auswirkungen auf die Mieter, die Nachbarschaft und den Standort berücksichtigt und durch gezielte Maßnahmen eine sinnvolle soziale Nachhaltigkeit umgesetzt werden. Dies zahlt sich in mehrfacher Hinsicht aus: Immobilien, die ökologisch und sozial nachhaltig gebaut wurden, stehen bei Mietern hoch im Kurs – und werden auch zu höheren Mieten stark nachgefragt. Spätestens die Bewertungskorrekturen der letzten Monate haben gezeigt, dass nachhaltige Büroimmobilien im Fokus der Interessenten stehen. Während zentral gelegene, qualitativ hochwertige und nachhaltige Flächen weiterhin Spitzenmieten erzielen konnten, waren periphere und weniger nachhaltige Gewerbeimmobilien kaum gefragt.

Soziale Dimension erhöht langfristig die Attraktivität

Die Entwicklung von Büroimmobilien mit positiver sozialer Wirkung zahlt sich langfristig aus. Wer attraktive Flächen vermietet, kann Unternehmen eher langfristig binden – zufriedene Mieter haben keinen Grund, sich nach anderen Flächen umzusehen. Gerade für Unternehmen mit einem hohen Nachhaltigkeitsengagement ist die positive soziale Wirkung ein wichtiger Faktor für die Standortbindung. Darüber hinaus ist die Wertentwicklung einer sozial nachhaltigen Immobilie positiv, da sie bereits auf mögliche regulatorische Verschärfungen vorbereitet und damit für die Zukunft gut aufgestellt ist. Möglicherweise werden sozial nachhaltig konzipierte Immobilien in Zukunft sogar finanziell gefördert, z.B. durch Steuervergünstigungen, und in nachhaltig gebauten Immobilien fallen in der Regel geringere Betriebskosten an, so dass höhere Kaltmieten verlangt werden können. Nicht nur Bauträger, sondern auch Unternehmen, die sozial nachhaltige Immobilien nutzen, erfüllen die Erwartungen der Gesellschaft an ein faires und soziales Unternehmertum – und sorgen damit gleichzeitig für eine positive Außenwahrnehmung.

Talente am Arbeitsmarkt finden und binden

Unternehmen, die Immobilien mit einer hohen sozialen Rendite nutzen, werden auch für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter attraktiver – die Gebäude bieten meist eine hohe Aufenthaltsqualität und sind infrastrukturell gut angebunden. Je wohler sich die Beschäftigten an ihrem Arbeitsplatz fühlen, desto besser arbeiten sie in der Regel auch – Büros mit hoher Aufenthaltsqualität haben nicht zuletzt das Potenzial, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Homeoffice ins Büro zu locken, was sich positiv auf die Teamarbeit auswirkt.

Druck auf Entwickler steigt – und könnte weiter zunehmen

Die Anforderungen an zukünftige Bauprojekte werden für Entwickler weiter steigen: Nicht nur nachhaltige und wirtschaftliche, sondern auch soziale Räume sind gefragter denn je. Die Immobilienwirtschaft wird sich darauf einstellen müssen, diese Nachfrage möglichst umfassend bedienen zu können, um marktfähige Gewerbeimmobilien realisieren zu können und nicht ins Hintertreffen zu geraten. Darüber hinaus gilt es, entsprechende Metriken zu entwickeln und zu implementieren, die bereits in der Planungsphase Kennzahlen zur sozialen Rendite einer Immobilie quantifizieren und im Betrieb weiterverfolgen können. Dies dient nicht nur der besseren Nachvollziehbarkeit und Kommunikation der sozialen Nachhaltigkeit gegenüber Finanzierern und Mietern, sondern auch der möglichen regulatorischen Verpflichtung, den Social Impact einer Immobilie ausweisen zu können, wie es z.B. durch die EU-Offenlegungsverordnung zur ökologischen Nachhaltigkeit von ESG-Portfolios bereits der Fall ist.

Die Zukunft ist sozial

In Zeiten zunehmender Flächenkonkurrenz und damit einhergehender sozialer Fragen ist das Reporting von Social Performance eine große Chance für die Immobilienwirtschaft, sich als sozial aktives Mitglied der Gesellschaft zu profilieren. Wenn Unternehmen freiwillig über die sozialen Auswirkungen ihrer Projekte berichten, zeigen sie, dass sie mit gutem Beispiel vorangehen wollen. Die Branche steht nun vor der Herausforderung, Standards für die Messung der sozialen Rendite zu entwickeln.